Ein Weg aus der Abhängigkeit führt auch durch eine Entwöhnungstherapie in einer Fachklinik für Suchtkranke. Vielfach besteht die Notwendigkeit der fachlichen Behandlung von Abhängigkeitserkrankungen. Der erste Schritt in Richtung Abstinenz ist in der Regel eine Entgiftung, die man in jedem Krankenhaus mit einer Station der Inneren Medizin machen kann. Hierbei geht es jedoch nur darum die körperlichen Symptome des Entzugs erträglich zu machen. Effizienter ist jedoch eine qualifizierte Entzugsbehandlung, die man auf entsprechenden Fachstationen in psychiatrischen Kliniken oder in Fachkliniken, wie das St.Camillus in Duisburg-Walsum, durchführen kann.
Nach einer Entgiftung bleiben 20% der Patienten dauerhaft abstinent!
Diese Stationen sind auf Suchterkrankungen spezialisiert und bieten neben der rein körperlichen Behandlung auch viele inhaltliche Gesprächsangebote zum besseren Verstehen der Suchterkrankung. Allerdings bleiben nach einer Akutbehandlung im Krankenhaus nur 20% der Patienten dauerhaft abstinent. Eine bessere Quote erreicht man mit anschließender stationären oder ambulanten Therapie (50%). Geht man dazu noch in eine Selbsthilfegruppe liegt der Erfolg bei 85%.
Nach anschließender Langzeittherapie liegt die Quote bei 50%. Mit zusätzlichem Besuch einer Selbsthilfegruppe erreichen 85% eine dauerhafte Abstinenz!
An dieser Stelle möchte ich nun die Fachklinik St. Camillus vorstellen, die sich im nördlichen Stadtteil von Duisburg, Alt-Walsum, befindet. Inmitten einer ruhigen Vorstadtsiedlung mit Einfamilienhäusern hat die Klinik die Adresse Kirchstraße 12, direkt neben der katholischen Kirche. Ein Steinwurf weit, hinter dem alten Walsumer Hafenbecken, der Niederrhein. Für ausgedehnte Spaziergänge bieten sich die Rheinauen - ein malerisches Naturschutzgebiet - an. Im Hauptgebäude sind die Akutstationen und die Motivationsstation sowie die Fachambulanz untergebracht. Im Keller befinden sich die Physiotherapie mit ihren Behandlungsräumen, ein Sportraum mit Fitnessgeräten und Tischtennisplatten sowie ein kleiner Kiosk. Die Grundsteinlegung dieses Gebäudes ist schon lange Geschichte. Die Fachklinik für Suchtkranke hat ihren Namen aus der Zeit übernommen, als das Gebäude noch ein Krankenhaus für die Allgemeinversorgung der Bevölkerung von Duisburg-Walsum beherbergte. Im zweiten Weltkrieg war es als Lazarett umfunktioniert.
Der Name der Klinik erklärt sich aus der Tatsache, dass St. Camillus, der zu den sogenannten Caritasheiligen zählt, im Jahr 1742 selig, 1746 von Papst Benedict XIV. heilig gesprochen und letztendlich im Jahr 1930 von Papst Pius XI. zum Patron aller Krankenschwestern und ihrer Vereinigungen erklärt wurde. Angesichts des Umstands, dass Camillus von Lellis, der während seiner Zeit als Soldat, zunächst in venezianischen Diensten, wo er am Krieg gegen die Türkei teilnahm, später im Dienst der Spanier, der Spielsucht verfallen war und all seine Habseligkeiten verspielt und vertrunken hatte, spricht dann für die Namensgebung einer Suchtklinik.
Neben dem Hauptgebäude gibt es vier Stationen, in denen die stationären Therapiegruppen – im St. Camillus EWO 1 – 4 genant - untergebracht sind; ferner finden sich hier auch die Holzwerkstatt der Arbeitstherapie, das Atelier für die Kunsttherapie, ein Specksteinraum, ein großer Bewegungstherapieraum. In der alten Kapelle ist die Tagesklinikgruppe untergebracht. Eine Teestube, die ehrenamtlich von früheren Patienten betrieben wird, bietet einen suchtmittelfreien Raum nicht nur für Patienten der Klinik. Allerdings wird sie in diesem Jahr ausgedient haben und in den anliegenden Neubau umziehen. Auf dem weitläufigen Gelände, das nach fast allen Seiten offen ist, finden sich ein Garten mit Gewächshäusern, ein Pavillon mit Grill, Biotop, Sportplatz, Tischtennisplatte und Bocciabahn, sowie großzügige Rasenflächen.
Doch wenn bisher nur von Gebäuden, Räumlichkeiten und Außenanlagen die Rede war, so sind es doch die Menschen, die suchtkranken Menschen, die im Mittelpunkt dieser Institution stehen und denen die Aufmerksamkeit gilt. Neben den stationären Behandlungsmöglichkeiten im Akutbereich gibt es die Gelegenheit täglich eine offene Sprechstunde in der Fachambulanz aufzusuchen. Hierzu reicht eine Überweisung des Hausarztes, ein Termin muss für die offene Sprechstunde nicht extra abgesprochen werden (montags, mittwochs und freitags von 9-10 Uhr, dienstags und donnerstags von 17.30-18.30 Uhr). Hier werden nicht nur alkohol- und medikamentenabhängige Menschen beraten, es gibt auch ein spezielles Angebot für pathologische Spieler. Die Akutstationen 1 und 2 bieten qualifizierte Entzugsbehandlungen an. Wobei auf der Station 1 die Patienten aufgenommen werden, die ein ausgeprägtes, chronifiziertes Krankheitsbild aufweisen, d.h. die häufiger eine Behandlung in Anspruch nehmen müssen und die man im Allgemeinen oft entwertend „Drehtürpatienten“ nennt. Wobei ich hierbei bemerken möchte, dass diese Menschen noch eine Überlebenschance haben, solange sie diese Tür noch selber drehen können. Häufig werden sie, selbst von abstinenten Alkoholikern, diskreditiert. Ein Verhalten was ich allerdings ablehne. Denn wer gibt mir das Recht, über diese Menschen zu urteilen? Wenn bei diesen Patienten das Feuer Hoffnung nur als Glut glimmt, so kann es auch bei richtigem Wind wieder angefacht werden, was heißen soll, dass man diese Menschen nicht einfach aufgeben darf.
Die Akutstation 2 nimmt in der Regel Patienten auf, die sich einer Erstbehandlung unterziehen. Die qualifizierte Entzugsbehandlung findet hier je nach medizinischer Notwendigkeit mit oder ohne medikamentöser Unterstützung statt. Angeboten wird wenn vom Patienten gewollt auch eine Akupunkturbehandlung zur Erleichterung des Entzuges, mit der die Klinik bislang sehr gute Erfolge erzielen konnte.
Seit dem 1. Juli 2000 existiert die Akut 3 im St. Camillus als Entzugsstation, auf der drogenabhängige Menschen behandelt werden, bei denen ambulante Hilfe durch niedergelassene Ärzte und Drogen-Beratungsstellen nicht ausreichen. Es ist eine Abteilung, die 12 Patienten für 2 bis 3, je nach Schwere des akuten Entzugssyndroms, auch bis zu 6 Wochen aufnehmen und behandeln kann. Zum Schutz der Patienten und um dem Gefühl des eingeschlossen seins entgegen zu wirken, wird die Station halboffen geführt. Sie ist von innen nach außen offen, aber von außen nach innen geschlossen.
Seit dem 1.Juli 2006 gibt es eine Motivations-Station im Camillus!
Die jüngste Abteilung im Haupthaus ist die Motivationsstation mit 12 Plätzen, die vor fünf Jahren ihre ersten Patienten begrüßen konnte. Sie ist allerdings nicht als Therapiestation zu sehen, sondern dient unter anderem der intensiven Information über das Krankheitsbild Alkoholismus und der Vorbereitung auf Therapie. Es ist nicht automatisch möglich, die Motivationsstation im Anschluss an eine Akutbehandlung aufzusuchen, Patienten müssen über ihren Hausarzt oder ihre Beratungsstelle angemeldet werden und erhalten dann einen Aufnahmetermin. Während der Motivationsbehandlung kann ohne Zeitverzug eine Entwöhnungstherapie beantragt und dann sofort anschließend begonnen werden, in der Fachklinik St. Camillus entweder stationär oder auch in der Tagesklinik; Patienten werden unter Umständen aber auch an andere Kliniken überwiesen, wenn z.B. die Kapazitäten des Camillus ausgeschöpft sind oder andere Indikationen eine Rolle spielen. So ist es sicher oft adäquater, eine Frau die Gewalt erfahren hat, in eine reine Frauenklinik weiter zu leiten. Um einige Zahlen zu nennen, so machen 70% der Patienten davon gebrauch eine mehrwöchige Entwöhnungstherapie direkt im Anschluss zu beginnen, 10% werden in eine ambulante Therapie vermittelt, 10% finden Unterstützung in einer Selbsthilfegruppe und Suchtberatungsstelle und die restlichen 10% unternehmen nichts weiteres.
Wenn in der Überschrift von Hoffnung die Rede ist, so ist es die Hoffnung der Patienten, die sich in die Obhut dieser Institution St. Camillus begeben, um ein abstinentes Leben führen zu können. Allerdings ist das kein leichtes Unterfangen und Therapie kann durchaus harte Arbeit sein. Abstinenz bekommt man hier nicht, und in keiner anderen Fachklinik, geschenkt.
Wie ich schon erwähnt habe, hat man hier im St. Camillus die Möglichkeit die Therapie entweder stationär oder in der Tagesklinik durchzuführen. Sicherlich spielen hierbei individuelle Aspekte eine Rolle, welche Therapieform die jeweils richtige ist, dies wird im Vorfeld intensiv zusammen besprochen. Der Unterschied liegt lediglich darin, dass nach Therapieende der Patient in seine gewohnte alltägliche Umgebung zurückkehrt, die Therapieinhalte sind für stationäre oder tagesklinische Patienten gleich. Wie muss man sich einen gewöhnlichen Tag in der Klinik vorstellen? Eine Therapiegruppe, EWO genannt, besteht aus 12 Patienten und zwei Therapeuten. Sie leben ähnlich wie in einer Wohngemeinschaft zusammen, wo sie gemeinsam die Mahlzeiten einnehmen und sich ebenfalls zu den Gruppentherapien treffen. Es wird ein Gruppensprecher gewählt, der die Gruppe in der Hausversammlung vertritt, die einmal in der Woche am Freitag zusammentrifft. Sicherlich dient diese Aufenthaltsform therapeutischen Absichten. Patienten lernen soziale Kompetenzen, die häufig im Lauf der nassen Phase abhanden gekommen ist. Man bekommt Aufgaben zugeteilt und muss so Verantwortung tragen. Wird man als Gruppensprecher gewählt, so fördert dieses Amt das Selbstbewusstsein. So ist im Grunde genommen auch die Zeit nach den Therapien Therapiezeit; nur ohne therapeutische Begleitung.
Zentraler Punkt der Behandlung ist die Gruppentherapie!
Die Gruppentherapie in der EWO findet mehrmals in der Woche statt und ist zentraler Punkt der Behandlung, begleitend werden regelmäßige Einzelgespräche angeboten.
Aber trotz der Gemeinschaftspflege wird auf den einzelnen Patienten individuell Rücksicht genommen. Die Indikationsgruppen sprechen da für sich, denen die Patienten symptomatisch zugeordnet werden. Angeboten werden Skill Training, Frauen- und Männergruppe, Berufsgruppe für arbeitslose Patienten, Selbstsicherheitstraining, Depressionsbewältigung und Holzgruppe.
Patienten die nicht mehr im Berufsleben stehen haben hier in der Klinik die Möglichkeit die Strukturierung ihres Tagesablaufs beim Freizeitkompetenztraining zu erlernen. Bei Bedarf wird auch Hirnleistungstraining angeboten.
Feste Therapiebausteine für alle Patienten sind die Kunsttherapie im offenen Atelier, Sport- und Bewegungstherapie, wobei hier auf dem physischen Allgemeinzustand der Patienten Rücksicht genommen wird. Das Entspannungstraining wird in der ersten Hälfte der Therapiezeit mit meditativem Malen ausgefüllt und in der zweiten Hälfte erlernen die Patienten wie man Stress bewältigt. Wenn ich bei dem Thema Lernen bleiben will, so darf ich nicht vergessen zu erwähnen, dass an zehn Terminen eine Gesundheitsinfo stattfindet, bei der man einiges Wissen über die Krankheit Alkoholismus erfährt.
In der Arbeitstherapie gibt es die Möglichkeit einen PC-Kurs zu absolvieren, oder man findet Beschäftigung in der Schreinerwerkstatt und bei Gartenarbeit. Patienten deren berufliche Wiedereingliederung ansteht, haben die Gelegenheit in einem Zeitrahmen von zwei Wochen an einer Arbeitsbelastung teilzunehmen.
Angehörige können in die Therapie mit einbezogen werden! Paargruppe, Paar- und Familiengespräche, Angehörigentage!
Doch auch die Angehörigen können in die Therapie mit eingebunden werden. So findet alle 14 Tage eine Paargruppe statt. Paar- und Familiengespräche können mit dem zuständigen Therapeuten individuell abgesprochen werden. Während eines Angehörigentags können nicht nur Anverwandte einen halben Tag den Klinikalltag erleben. Natürlich ist es jedem Angehörigen, Freund oder Bekannten freigestellt, den Patienten auf den EWOs zu den festgelegten Besuchszeiten einen Besuch abzustatten.
Der Kontakt zu den Selbsthilfegruppen wird sehr befürwortet, es wird den Patienten ermöglicht, schon während der Therapie in den letzten 6 Behandlungswochen seine SHG am Wohnort aufzusuchen. Ebenso gehört es zum Klinikalltag, dass sich Selbsthilfegruppen auf den Akutstationen und im Entwöhnungsbereich vorstellen. Einmal im Jahr findet in der Klinik ein Auswertungsgespräch mit Vertretern der verschiedenen Selbsthilfeorganisationen statt.
Der Kontakt zu Selbsthilfegruppen wird befürwortet!
Natürlich finden die Patienten hier einen sicheren Raum vor. Im Allgemeinen spricht man von der Sicherheit unter der Käseglocke. Aber trotzdem kommt es vor, dass selbst unter diesen geschützten Rahmenbedingungen Patienten rückfällig werden. Das wird allerdings nicht als Versagen angesehen sondern als Chance. In einem Rückfallprogramm nach Körkel kann dieser Rückfall aufgearbeitet werden. Man spricht von einem 5 Punkte-Programm. In einem ersten Schritt kommt der Patient erst einmal auf die Akutstation, um ihn aber auch um seine Gruppe zu schützen. In einem zweiten Schritt bespricht er dann den Rückfall mit seinem Gruppentherapeuten. Danach hat er sich der Bezugsgruppe zu erklären. Der vierte Punkt ist dann ein Gespräch mit dem Therapeutenteam, hier stellt es sich dann heraus, ob eine Weiterbehandlung stattfinden kann, was allerdings in den meisten Fällen sinn macht. Eine Entscheidung wird aber an Ort und Stelle ausgesprochen. Für eine Weiterbehandlung ist aber Voraussetzung, dass der Patient sich für den fünften und letzten Punkt entscheidet und sich in der Hausversammlung erklärt. Sinn und Zweck ist unter anderem, zu seinem Rückfall zu stehen und eventuellen Gerüchten Einhalt zu gebieten.
Rückfall = Chance kein Versagen!
Seit Oktober 2009 hat eine interessante Therapieform – die Rückfallmanagementgruppe (12 Patienten und 2 Therapeuten) - Einzug in die Klinik gefunden. Es geht dabei darum, nicht nur theoretisches Wissen zu vermitteln. Patienten sollen dazu gebracht werden sich mit Verlangen und Suchtdruck auseinander zusetzen. Im Rahmen dieser Therapie werden unter Anderem einzelne Patienten mit ihrem Suchtmittel konfrontiert, um in einem geschützten Raum die Erfahrung zu ermöglichen, dass Suchtdruck automatisch auftreten kann, aber auch wieder weggeht, man diesen bewältigen kann ohne wie unter Zwang trinken zu müssen. Das Empfinden wird vom Patienten bewertet, auf einer Skala von 0 (gar nicht) bis 10 (extremer Suchtdruck). Die Teilnahme an der Gruppe ist verpflichtend, die Konfrontation jedoch freiwillig. Patienten, die sich dieser Therapieform unterzogen haben, sind aufmerksamer und vorsichtiger, was den Kontakt mit Alkohol angeht.
Doch so sicher auch das Leben unter der „Käseglocke“ ist, so ist es doch nur auf relativ kurze Dauer. So wie die Konfrontationstherapie darauf hinzielt, die Zeit nach der Behandlung sicher zu bewältigen, so werden Patienten wenn es eben möglich ist zwei bis drei Wochen vor der Entlassung in den Tagesklinik-Status behandelt. Das bedeutet, sie bleiben in ihrer Gruppe, allerdings nur bis zum Zeitpunkt des täglichen Therapieendes. So wird die Entlassung in den Lebensalltag abgefedert. Zur Entlassungsvorbereitung gehört auch die Vermittlung in Nachsorge, je nach Bedarf des Patienten. Die ehemaligen Patienten treffen sich noch einmal im Monat (immer der erste Mittwoch) mit ihrem „alten“ Gruppentherapeuten, und einmal im Jahr – immer der zweite Samstag im Juni – findet ein großes Sommerfest statt.
An dieser Stelle möchte ich mich bei Dipl. Psychologin Frau Niewendick bedanken, die mir hilfreiche Antworten gab, die diesbezüglich des Artikels im Raum standen.
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