Dienstag, 12. Juli 2011

Weshalb ist Selbsthilfe so wichtig?

Selbsthilfegruppen gibt es in verschiedenen Organisationen. Die bekanntesten sind Anonyme Alkoholiker (AA), Kreuzbund, Freundeskreise, Blaues Kreuz, und Guttempler. In Eigeninitiative werden aber auch unabhängige Selbsthilfegruppen gegründet, denen Räumlichkeiten von Gemeinden oder Kirchen zur Verfügung gestellt werde

In der Gruppe soll das gesichert und fortgesetzt werden, was in der Entgiftung und der Entwöhnungsbehandlung in die Wege geleitet wurde. Man kann es auch so ausdrücken: In der ambulanten oder stationären Therapie wird nur das Gesellenstück angefertigt, die Meisterprüfung sollte mit langjährigen abstinenten Gruppenmitgliedern angestrebt werden.

Nirgendwo sonst stehen alkoholkranken Menschen zu jeder Zeit Gleichgesinnte zur Seite die mit ihrer jahrelangen Selbsterfahrung, in sehr vielen Lebenslagen helfen können. Und nur deshalb, weil sie gleiche oder ähnliche Situationen schon erlebt und positiv gelöst haben.

Außer der Selbsthilfegruppe bringt kaum eine andere Gemeinschaft dem Abhängigen soviel wahres Verständnis entgegen und bestärkt ihn in seiner Abstinenz. Manch einer glaubt, er braucht kein Verständnis und keine Bestärkung, aber das heißt in Wirklichkeit, dass er entweder ein wichtiges Bedürfnis des Menschen leugnet oder bereits anderweitig damit versorgt ist.

Es ist falsch zu glauben, die Selbsthilfegruppe sei nur für die Hilfsbedürftigen da, die allein im Leben nicht zurechtkommen. Im Gegenteil: Die meisten gut laufenden Abstinenzgruppen, bestehen größtenteils aus lebensfrohen, aktiven Mitgliedern, die weder in der Arbeit, Freizeit noch Familie größere Probleme haben. Trotzdem profitieren alle von der Gruppe.

Der meiner Meinung nach wichtigste Faktor ist, gemeinsam lernen ohne Alkohol fröhlich und lebensbejahend sein. Nur wenn ich gerne ohne Alkohol lebe wird eine zufriedene Trockenheit erreiche, die dann über Jahre durch den Erfahrungsaustausch Bestand hat.

E. Rieth, ehemaliger Di- rektor der Kliniken Ringgenhof und Höchsten, bemerkte dazu sehr treffend: Nur wer sich die Mühe macht, diese Gruppen näher kennen zulernen, kann ihr Angebot zur Kenntnis nehmen und ein Urteil darüber gewinnen, ob sie ihm an der entscheidenden Stelle weiterzuhelfen imstande sind. Wer diese Frage bejaht, übernimmt damit auch ein Stück Verantwortung für diesen Kreis.

Er/sie muss aus der bequemen, nörgelnden Konsumhaltung heraustreten und zum aktiven, kritischen Mitragen, zur Mitarbeit unter Einsatz seiner Gaben und Kräfte kommen. Im Dienst für die anderen kann er/sie dann reifen. Die Alkoholkrankheit ist für ihn Durchgangsstufe zum wahren Leben geworde

Die Alkoholkrankheit als Durchgangstufe zum wahren Leben?

Viele zufriedene trockene Alkoholabhängige, die regelmäßig die Gruppe besuchen, dazu zähle auch ich, empfinden ihre Krankheit als eine Chance. Denn hier habe ich nicht nur Weggefährten oder Leidensgenossen getroffen, sondern bin emotionale Bindungen eingegangen, die ich als gefühlsblockierter Mensch (als „Normaler Mensch“) nie eingegangen wäre, oder empfunden hätte. Diese so gefundenen Freundschaften bestimmen heute mein Leben. Ohne sie wäre ich wohl wieder in den Kreislauf des Alkoholismus zurückgefallen. Meine jetzigen Empfindungen könnte ich endlos fortführen. So gestärkt bin ich nur durch die Gruppe geworden.

Reinhold Adam